AudioVision,
visualisierte Sinustöne auf gehackten Röhrenfernseher, Stills
November 2021































In der Serie AudioVision fotografiert Friedrich Gobbesso Sinuswellen von den Bildschirmen alter, zum Teil auf der Straße aufgesammelter Fernseher ab. Dafür werden die Bildröhren der Fernseher – ihrerseits Relikte einer aus heutiger Perspektive fast antik anmutenden Konsumkultur – von Gobbesso gehackt und Audiosignale (Musik) an sie angeschlossen. Je nach Frequenz der eingespielten Signale beschreibt der Kathodenstrahl Schwingungen auf der Mattscheibe. Ein Farbfernseher Mischt sein weißes Licht als Summe aus den Grundfarben der additiven Farbmischung (Rot + Grün + Blau = Weiß). Durch Manipulation des Kathodenstrahls zerlegt Gobbesso das Licht zurück in seine Grundfarben. Die überraschende Farbigkeit der Bilder entsteht mit dem Schraubenzieher am offenen Gerät. Durch Veränderungen auf der Zeitachse mit teilweise extremen Langzeitbelichtungen werden die abgebildeten Schwingungen in mannigfaltigen Überlagerungen von Gobbesso zu seinen fotografischen Ergebnissen summiert.
Die AudioVision-Fotografien stehen in einer Reihe von Experimenten, mit denen der Künstler die ästhetischen Grundlagen physikalischer Phänomene erforscht und visuell darstellt. Während sich Gobbesso in seinen früheren Arbeiten auf die „natürlich“ gegebene Physik wie z. B. Wellenformationen in Wasser („Kaustik“, 2008-2012) konzentrierte, verlagert er sein Interesse bei AudioVision auf die „künstliche“ Physik, derer sich der Mensch in technologischen Apparaturen bedient. Die Fotografien zeugen von den elementaren Funktionsweisen hochkomplexer Technik – und doch ist es bewusst „nur“ die Unmittelbarkeit einer Visualisierung von Klang, welche Gobbesso der Apparatur entlockt.
Die visuell und farblich eindrucksvollen, in ihrem Ausdruck facettenreichen Bilder der Serie AudioVision stellen zugleich den Endpunkt einer mehrfachen medialen Verschiebung dar: Aus Ton wird elektromagnetisches Signal, aus elektromagnetischem Signal wird Fernsehbild, aus Fernsehbild wird Fotografie. Gobbesso führt dem Betrachter – wenn auch implizit – Verkettungen vor Augen, die normalerweise verborgen bleiben. Seine Kunst gibt dem Fernsehen und damit dem Wohlstandsmüll vergangener Jahrzehnte einen neuen, tieferen Sinn. Es bleibt dem Betrachter überlassen, diesen Sinn auf seine Bedeutung für den Umgang mit den Technologien von heute zu befragen.